Der Sammelbegriff der Negativemissionstechnologien (NET) beschreibt unterschiedliche naturbasierte und technologische Methoden, um der Atmosphäre CO₂ zu entziehen und dieses langfristig zu speichern (sogenannten CDR-Methoden, von Englisch carbon dioxide removal). CDR-Methoden umfassen die gezielte Erweiterung der Speicherkapazität für Kohlenstoff in Pflanzen und Böden, die Anreicherung von rezyklierten und kohlenstoffspeichernden Baumaterialien und deren Wiederverwendung, die Abscheidung von CO₂ mittels technischer und chemischer Prozesse aus der Umgebungsluft oder aus industriellen Prozessen sowie die Abscheidung in langfristige Speicherstätten.
Einen Überblick über die Rolle von Negativemissionen für die Schweiz und die wichtigsten CDR-Methoden bietet übrigens auch unsere Kurzbroschüre CO₂ aus der Luft entfernen? vom Frühjahr 2023.
Dank innovativen Forschungsprojekten und Unternehmen im Bereich der CDR-Methoden ist die Schweiz derzeit in der Entwicklung und Anwendung von einigen dieser Verfahren führend, so z.B. der Herstellung von kohlenstoffnegativem Zement oder der direkten Abscheidung von Kohlenstoff aus der Luft. Die weitere Entwicklung, Markteinführung und Skalierung dieser Ansätze stehen jedoch vor vielen Herausforderungen. Einerseits ist es im noch jungen Marktumfeld schwierig, die nötigen finanziellen Mittel für Forschung und Entwicklung zu akquirieren, Umsetzungspartner in der Industrie zu finden oder Bewilligungen für Testanlagen zu erhalten. Andererseits bedarf der weitere Ausbau von bereits marktfähigen Verfahren einer Ausweitung der Versorgung mit erneuerbaren Energien, den Aufbau nachhaltiger Speichermöglichkeiten sowie einer funktionierenden Logistik für Biomasse und Kohlenstoff.
Nicht zuletzt muss die Öffentlichkeit über die Vorzüge, Nachteile und mögliche Risiken der unterschiedlichen Verfahren informiert sowie ein breiter Diskurs über entsprechende Unklarheiten und Unsicherheiten initiiert werden. Um einen nachhaltigen Ausbau von NET sicherzustellen, sollte dieser Prozess auch die politischen Entscheidungsträger:innen einschliessen, die sich für die künftige Sicherstellung förderlicher politischer und gesetzlicher Rahmenbedingungen verantwortlich zeichnen.
Derzeit wird der Ausbau der folgenden CDR-Methoden diskutiert:
(Wieder-)Aufforstung, Forstmanagement + Holznutzung
Forstwirtschaftliche Massnahmen mit dem Ziel, die CO₂-Aufnahme von Wäldern mittels Erweiterung der Waldfläche und Wiederaufforstung zu optimieren. Die dadurch entstehende, zusätzliche Biomasse und der darin gebundene Kohlenstoff verbleibt im Ökosystem Wald, wird für die Produktion langlebiger Produkte verwendet, verbaut oder im Rahmen einer Kaskadennutzung der Energiegewinnung zugeführt.
Bodenmanagement + Pflanzenkohle
Verschiedene Ansätze, um den Kohlenstoffgehalt in (landwirtschaftlichen) Böden zu erhöhen. Dazu gehören Methoden der regenerativen Landwirtschaft, sowie die Umwandlung von Biomasse (z.B. Ernteabfälle) in mineralstoffreiche Pflanzenkohle (‘biochar’) mittels Pyrolyse, d.h. Verbrennung unter hohen Temperaturen und ohne Sauerstoffzufuhr. Biochar ist sehr beständig und bindet Kohlenstoff folglich langfristig. Mit dem gezielten Einsatz von Biochar in der Landwirtschaft kann unter anderem der Nährstoff-Gehalt von Nutzflächen erhöht werden. Pflanzenkohle findet auch ausserhalb der Landwirtschaft Verwendung. Die Produktion und Speicherung von Pflanzenkohle wird auch als pyrogene Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (PyCCS, engl. pyrogenic carbon capture and storage) bezeichnet.
Abscheidung von CO₂ aus der Umgebungsluft mittels unterschiedlicher chemischer oder technischer Prozesse, z.B. Methanisierung, Adsorption oder durch Hydroxid-Lösungen (jeweils betrieben mit Restwärme oder erneuerbarer Energie). Das so gebundene CO₂ kann entweder langfristig gespeichert werden, z.B. durch die Injektion in erschöpfte Öl- und Gasfelder oder Salzkavernen, oder in Konsumgütern und anderen Anwendungen weiterverwendet werden.
Beschleunigte Verwitterung + Kohlenstoffaufnahme in Zement
Durch die chemische Verwitterung absorbieren gewisse Mineralien auf natürliche Weise CO₂. Mit der gezielten Integration dieser Mineralien in die Bewirtschaftung von Böden oder Gewässern, z. B. der Düngung von Nutzflächen mittels Gesteinsmehl, können diese Prozesse beschleunigt werden. Je nach verwendetem Gestein werden während der Verwitterung Nährstoffe freigesetzt, wodurch sich gewissen Bodeneigenschaften verbessern lassen. Ähnliche Prozesse ermöglichen die langfristige Kohlenstoff-Speicherung in Bauwerken: Durch Zementalternativen oder spezielle Verfahren der Beton-Rezyklierung, z. B. die Karbonisierung von zerkleinertem Beton, kann die Kohlenstoff-Aufnahme im Zement erhöht werden.
Bioenergie mit CO₂-Abscheidung und -Speicherung (BECCS)
Integration unterschiedlicher Verfahren der CO₂-Abscheidung und -Speicherung in industrielle Prozesse, die Biomasse – und den darin gespeicherten Kohlenstoff – verwerten. Dazu zählen Vergärungs-, Vergasungs- oder Verbrennungsprozesse. Als Beispiele lassen sich Verfahren der Kohlenstoff-Abscheidung in Biogasanlagen, Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, in der Papier- und Zellstoffindustrie oder in die Ethanol-Herstellung integrieren, um so gewonnenen Kohlenstoff danach langfristig zu speichern.
Pflege + Renaturierung von Feuchtgebieten und Küstenökosystemen
Feuchtgebiete wie Moore oder Küstenhabitate funktionieren als natürliche Kohlenstoff-Senken, indem sie Kohlenstoff durch den Aufbau und die Konservierung von Biomasse im Boden binden, z.B. bei der Torfbildung in Hochmooren. Folglich bergen die aktive Pflege und Renaturierung solcher Feuchtgebiete das Potenzial, den Aufbau von langfristigen Kohlenstoff-Senken mit dem Naturschutz zu verbinden.